Idyllisch gestaltet sich der „Aufstieg“ zum Museum Gugging und zum benachbarten „Haus der Künstler“ auf dem ehemaligen Gelände der Heil- und Pflegeanstalt in Maria Gugging. Wo noch vor einigen Jahren Patienten betreut und gepflegt wurden, befindet sich heute ein modernes Museum, mit Galerie und Atelier, dessen Türen für alle offen stehen, die sich künstlerisch betätigen wollen. Das Motto des Hauses: Kunst abseits von künstlerischen Konventionen von Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen.

Tatsächlich wohnen oder wohnten die meisten der Künstler nicht unweit des Museums entfernt – im so genannten „Haus der Künstler“. Eine Einrichtung, die 1981 vom damaligen Leiter der Heil- und Pflegeanstalt, Dr. Leo Navratil unter dem Namen „Zentrum für Kunst-Psychotherapie“ gegründet wurde. Navratil hatte bereits in den 60er Jahren begonnen seine Patienten in der psychiatrischen Männerabteilung zeichnen zu lassen, wobei im Laufe der Jahre eine Reihe qualitativ hochwertige Arbeiten entstanden, sodass es in den 70er Jahren zur ersten großen Ausstellung kam. Trotz erster Erfolge in der Kunstwelt bleibt Navratil der Bezeichnung „Künstler-Patienten“ treu. Erst sein Nachfolger Dr. Johann Feilacher schafft 1986 den Patienten ab, benennt das Wohnhaus „Haus der Künstler“ und stellt damit den Künstler in den Mittelpunkt. Um Kunst zu beurteilen braucht es keine Biographie, war das Motto Feilachers, der neben seiner Tätigkeit als Psychiater selbst auch als Künstler tätig ist. Laut Feilacher, der noch heute als Direktor und Kurator fungiert, hat ein Künstler das Talent, eine eigene Formsprache zu finden. Etwas, dass auf die Gugginger Künstler ohne Zweifel zutrifft. Im Mittelpunkt steht das Kunstwerk, weniger die Geschichte(n).

Einstweilen gebe es derlei viele zu erzählen. Zum Beispiel jene über August Walla, der neben Johann Hauser und Oswald Tschirtner vermutlich nach wie vor der wohl bekannteste Künstler der „Gugginger“ ist. Für Walla schaffte Feilacher seinerzeit gar eine Art eiserne Stiege an, sodass dieser auch die Decke seines Zimmers im Haus der Künstler verschönern konnte. Das so genannte Walla-Zimmer, in dem der Künstler von 1983 bis 2000 lebte, ist auch heute noch nach Voranmeldung zu besichtigen. Etwas, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Götterbilder, Embleme und Symboliken schmücken Wände und Decke und lassen die Betrachterinnen und Betrachter regelrecht eintauchen in ein eigenes Universum.

„Weltallendeland“ nannte Walla seinen künstlerischen Kosmos, in dem er versuchte gegen den Tod anzukämpfen. Vor allem das Leben seiner Mutter, mit der er die meiste Zeit seines Lebens zusammenwohnte, galt es mittels selbst erdachter Zaubersprüche und Bündnissen mit dem von ihm erschaffenen und abgebildeten Göttern zu verlängern. Darstellungen der Mutter (unter anderem sieht man sie neben der Eingangstüre Pfeife rauche), aber auch der Großmutter verwandeln das Zimmer in eine Ahnenkapelle im Zeichen der Walla’schen Religion.
Aber auch so manche Bilder von der Umgebung von Klosterneuburg, jener Ort in dem Walla die meiste Zeit seines Lebens verbrachte, lassen einen an sakrale mittelalterliche Darstellungen denken wie sie beispielsweise auf Tafelbildern in Klöstern zu finden sind. Von den Klosterneuburgern selbst wurde Walla, der immer schon den Drang hatte seine gesamte Umgebung zu bemalen, jedoch nicht immer wohlwollend aufgenommen. Das Gefühl etwas Verbotenes getan zu haben spiegelt sich auch in seinen künstlerischen beziehungsweise symbolischen Selbstbetrachtungen. Walla verortete sich in eine Art Zwischenwelt oder Halbhölle. Ein eigenes Symbol verweist auch im Walla-Zimmer auf diesen Zustand. Es befindet sich in Nachbarschaft mit Hakenkreuzen, die für den in seiner KIndheit oft in Mädchenkleidern gesteckten Künstler das weibliche Prinzip verkörperten, während Hammer und Sichel für das Männliche standen. Jenes Männliche im Universum zu dessen Teil er nicht zuletzt während der sowjetischen Besatzungszeit – „umoperiert zum Kommunistendoppelknaben“ wie er stets betonte – wurde.

Derlei umgedeutete oder selbst erfundene Symbole lassen sich in vielen seiner Werke finden – ob gemalt, gezeichnet, abfotografiert oder gar eingestickt in Stoffe, die zum Teil wie Flaggen wirken.
Noch bis 1. September haben Interessierte zudem die Gelegenheit in der Sonderausstellung „walla.foto.text.=ilien.!“ – die aufbauend auf die große Walla-Ausstellung von 2012, jene damals aus Platzmangel nicht ausgestellten Textil-, Foto- und Textarbeiten zeigt – einen Blick auf die breite künstlerische Palette des Künstlers zu werfen. Neben seinem Schreibtisch und Stuhl sowie einem Regal und zwei Fliegengittern zeugt auch ein Stück Straße, das nach Bauarbeiten im Museum landete, vom unbändigen Schaffensdrang des Universalkünstlers.

Walla-Zimmer
Haus der Künstler in Maria Gugging

walla. foto.text.=ilien.!
Im Netz des Gugginger Universalkünstlers August Walla
Noch bis 1. September 2019
Museum Gugging
Öffnungszeiten: Di-So 10.00 – 18.00 Uhr, Mo geschlossen
Erreichbarkeit: mit der Buslinie 400 von Heiligenstadt bis Maria Gugging IST Austria. Dann den Wegweisern folgen
www.museumgugging.at/de/museum-gugging/ausstellungen/walla_foto_text_il

Geschrieben von Sandra Schäfer